Montag, 3. August 2009

vieni a ballare in Puglia

Mit der Hilfe von Lorenzo Rinfredi, Reporter des "mattina di Padova", der lokalen Zeitung, ist es mir gelungen, trotz meiner Faulheit meine traumhafte Reise zum Absatz des Stiefels zu dokumentieren.
Hier die Übersetzung eines Artikels erschienen heute, den 03.08.2009, im "mattina di Padova".

Signor Reisenauer, nach einer Woche im Süden sind sie gestern wieder sicher im Veneto angekommen. Wie sind sie auf die Idee gekommen und was sollte es ursprünglich werden?

Ich wollte am Ende meines Aufenthalts hier in Italien ein wildes Vagabundenleben, zwei Wochen auf Achse quer durch den Stiefel. Trampen, die netten Terroni¹ kennen lernen und unterwegs padovanische Freunde besuchen.

Letztlich kam etwas anderes heraus. Was ist, wenn man so sagen will, schief gelaufen?


Ja letzten Endes waren es doch nur Besuche bei bereits bekannten und lieben Leuten. Ich muss eingestehen, der erste Fehler war, zu faul zum Abreisen gewwesen zu sein. Die Zeit hier in Padua war zu schön, die Abschiede, und damit auch die Feste, zahlreich. Ich wollte meinen Hintern nicht recht in die Höhe bringen. Das lag sicher auch an meinem Respekt vor dem Anhalter fahren, das ich in der Form, allein und weit, noch nie gemacht hatte.

Das hat ja nicht so geklappt...

Nun ja. Eigentlich wollte ich ja Samstag schon los. Aber nach dem letzten "letzten Kaffee" mit Jacopo und Raquel war es schon sieben Uhr abends. Ich dachte mir im Dunkeln in zwei Stunden nimmt mich niemand mehr mit, deshalb wollte ich meinen letzten Abend mit früh zu Bett gehen verschwenden und das Morgenlicht nutzen.
Schon Film schauend auf dem Bett schrieb mir Raquel jedoch, es wäre die optimale Gelegenheit etwas Verrücktes zu tun wie wild loszutrampen. Allerdings hatte sie die Nacht zuvor schon spontan andern Trampern eine bleibe für die Nacht angeboten und die wollten sich diesen Abend mit einem Essen bedanken. Das hat uns sehr gut geschmeckt aber uns natürlich nicht aus Padua entlassen.
Sonntag um halbelf stand ich dann aber schön an der Tangentiale nach Bologna und Richtung Süden mit meinem Schild. Und nach zwei absolut erfolglosen Stunden war ich auch schon wieder auf dem Heimweg. Am Ende war der Zug nach Siena zwar teuerer, aber wenigstens unterwegs.

Siena? Wollten sie nicht in den Süden?

Zwischenzeitlich wollte ich sogar zunächst in den Norden! Allan wollte auf dem Heimweg nach Göttingen Mario in Innsbruck besuchen. Aus Angst vor dem allein Reisen und weil die Möglichkeit bestand wäre ich mitgefahren. Das war ein weiterer Grund, warum die Abreise am Sa geplatzt ist. Letzten Endes fuhr Allan aber erst Montag los, und so lang wollte und konnte ich nicht warten.
Siena kam auch ganz kurzfristig auf den Plan. einen Tag zuvor hatte mir Hannes von seinem bevorstehenden Besuch bei Frauke in Siena erzählt und mich eingeladen, doch vorbei zu schauen. Und dann liegt es ja fast am Weg.

Dennoch nicht wirklich südlich, die Toskana.

Das nicht, nein. Aber in einer anderen Weise fand ich es sehr passend. Siena ist Perugia in vielen Dingen ähnlich. Sie sind die einzigen Städte in Italien mit "Università per stranieri", Universitäten um Ausländern italienisch beizubringen. Und beide sind mittelgroße und -alterliche Städte auf Hügeln, mit engen Gassen und großen Kirchen. Mit diesem Blick 11Monate in die Vergangenheit schloss sich der Kreis meines Jahres als Erasmus-Student und meine Zeit als alte Freunde besuchender Reisender begann. Gleichzeitig war es mit Hannes und Frauke ein schöner Vorgeschmack auf meine deutschen Freunde. Schlussendlich ist Siena natürlich mit dem Campo, dem Dom und den Contradas immer einen Besuch wert.

Aber es zog sie weiter.

Wie Wallace Stegner einmal sagte: Sommer ist die Zeit, da die Tage wegtropfen wie der Honig vom Löffel. Und ich hatte nur noch 6 Tage vor mir. Die wollte ich lieber im Süden statt an Raststationen verbringen. Ich gab die Anhalter-Idee auf, schwang mich noch gerade so in Zug und durchquerte den Stiefel in einer Nacht. Inklusive grässlichem Addio-Kebab in der ewigen Stadt. Das erste was ich beim Aufwachen sah waren die Sandstrände Apuliens, dessen italienischen Namen, Puglia, ich hier verwenden will, einfach weil er viel fester mit meinen Erinnerungen verbunden ist.

Warum denn genau Puglia?

In Padua hatte ich glücklicherweise nicht nur mit andern Ausländern zu tun, sondern nahm beispielsweise am Tandemprogramm teil. Das ist eine rechte Glückssache wen man zugelost bekommt, aber ich hatte mit Domenica, kurz Nika, ein sehr gutes Los gezogen. Sie studierte im ersten Jahr deutsc und kam, wie gesagt, aus Ceglie Messapica, Puglia. Das ist von Padua sogar weiter weg als München, was mich einerseits beschämte weil ich mein Auslandssemester machte und sie nur zum studieren ging, andererseits aber für den Kontakt gut war. Sie konnte nicht wie viele andere wöchentlich 3 Tage heim fahren und musste Kontakte ernster nehmen.

Und was war dort geboten?

Wir verbrachten die 4 Tage und 3 Nächte hauptsächlich am Strand, am Pool und "in campagna", wie die Häuser am Land dort heißen. Quasi jede Familie hat ein zusätzliches Häuschen mit Garten in der Umgebung, Die Hitze lässt sich dort aushalten und frische Tomaten schmecken um Welten besser.
Das Essen dort! Mamma mia! Mal frische, im eigenen Holzofen gemachte Focaccia (Pizza), mal ein von Oma gezaubertes 4-Gänge-Menü mit selbstgemachter Pasta und allem was dazu gehört. Sogar die Norditaliener, die am Süden selten etwas gutes lassen, schwärmen von der pugliesischen Küche.

Hört sich nach der besten Art an, Urlaub zu verbringen.

Deshalb ist die Zeit auch wie im Flug vergangen. Schon stand ich mit der Familie an der Autobahn, auf den Bus wartend, der witzigerweise wirklich nur am Ausfahrtsbremsstreifen hielt. Ab in die Basilikata. Und wieder wachte ich nach einem Nickerchen in einer völlig neuen Landschaft auf. Solche Berge wie die lukanischen Alpen hätte ich dort unten nicht erwartet.

Basilikata, das war doch der Freund vom Anfang?

Genau, Donato. Leider leider hatten wir uns im Laufe des Jahres deutlich weniger gesehen weil er viel und ich weniger studieren musste. Nichtsdestotrotz hatte er noch im Juli seine Einladung wiederholt. Das konnte ich, vor allem aus Neugier, natürlich nicht ausschlagen. Den Aufenthalt von nur einer Nacht habe ich dann auch so weit wie möglich ausgedehnt. Zwei Nächte und ein Tag waren natürlich zu kurz, aber für eine Tour in der Umgebung mit Klettereinlagen in einer eigentlich geschlossenen Burg hats gereicht.

Mehr Nächte als Tage, was war dann mit dem letzten Tag?

Pfui, die Rückreise. Neun Studen Bus nach Bologna, zwei weitere im Zug nach Padua. Wenigstens gings schon um halb7 los, das hieß früh aufstehen und viel Schlaf im Bus. Trotzdem eine unglaublich traurige Angelegenheit. Alleine mit meinen Gedanken an das Ende nicht nur eines fantastischen Urlaubs sondern ganzen Jahres! Mit der Aussicht auf ein Padua das inzwischen aus Packen und meiner leidigen Zimmergenossen bestand.

Was wird bleiben vom "fantastischen Urlaub"?

Definitiv die Erinnerungen an die Menschen. Beide Freunde, Familien und Freundesfreunde waren dermaßen freundlich, offen und herzlich. Alle haben mich sofort aufgenommen als einen der ihren der nur dummerweise den Dialekt nicht versteht. Sogar Nikas Vater war ständig hilfsbereit und wollte, dass ich länger bleibe. Obwohl Nika mich gewarnt hatte, dass ich der erste fremde Mann bin der in seinem sonst nur mit Damen belegten Haus schläft, er quasi nur dialekt spricht und von meinem Piercing absolut nichts halten wird.

Vielleicht noch ein Ausblick?

Jetzt freue ich mich sehr auf Deutschland, Bayern, meine Familie und Freunde dort und eine schöne Leberkassemmel. Aber ich bin mir absolut sicher, die Sehnsucht nach Italien und dem Süden stellt sich bald ein. Und dass ich zurück kommen und länger bleiben werde habe ich allen da unten schon viel zu fest versprochen.

Rainer Reisenauer war ein Jahr Erasmus-Student in Padua. Im normalen Leben studiert er im vierten Jahr Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er wird nie diese absolut fantastischen 11Monate in unserem Land vergessen.


glückliche neu-Italiener

Erwachen im Zug

Rainer erklärt die Welt - und keiner hört zu

terra pugliese

der selbstgebaute und hauseigene Pizzaholzofen

Erwachen im Bus


¹terrone: italienischer Begriff für die Süditaliener. Laut Padovanern beginnt das sagenumwobene "Terronia" bei Bologna. Die Grenze kann sich aber je nach Herkunft des Beschreibenden bis nach Neapel verschieben. Ich sehe sie in Rom. Gegenteil ist das weniger oft gebrauchte "Polentone" für die Norditaliener.

4 Kommentare:

Dani hat gesagt…

Ich gratuliere zu dem spitzenmäßigen informativen lustigen Artikelchen, der mir eine angenehme Pause beim Lernen :( erlaubt hat :) Chao Chao

Gerri hat gesagt…

Hannes Meister, gemustert auf den ersten Blick traute ich mich ein Gin Tonic auf deinem T-shirt zu entdecken, beim genauen Blick im Detail, war dem nicht so. Aber vielleicht, innerum, untenrum.
Zeche Meister, zeche er reichlich.

Camakadara hat gesagt…

Hey Rainer!

Erstmal sorry, dass du das als Kommentar bekommst, wir haben leider keine Email-Adresse von dir gefunden...
Wir sind grad mit der Schule fertig und überlegen, in Padova zu studieren - und zwar Theaterwissenschaften (DAMS) und Physik. Wir haben dazu ein paar Fragen und fändens voll cool, wenn du uns helfen könntest =)

In vielen Erfahrungsberichten von Erasmus-Studenten liest man von sehr einseitigem Unterrichtsstil, nämlich davon, dass fast ausschließlich Vorlesungen den Unterricht ausmachen (wenig Seminare, Tutorien, Praktika). Empfandst du das ähnlich, meinst du, es gibt dort einen Unterschied zwischen Geistes- und Naturwissenschaften?
Ebenfalls liest man von einer Vielzahl von mündlichen Prüfungen, deren Schwerpunkt eher auf Reproduktion als auf Anwendung des Gelernten liegt. Kann man das so verallgemeinern, also, hast du das auch so erlebt? Vor allem in Physik, wo es ja in Deutschland Standard ist, eher
mathematiklastige Bereiche in Klausuren zu prüfen.
Auch liest man manchmal, dass Erasmus-Studenten das Auslandsjahr inhaltlich wenig gebracht hätte. Ist also das Studium fachlich weniger anspruchsvoll/intensiv verarbeitet als in deutschen Hochschulen? Meinst du, es lohnt sich auch auf fachlicher Ebene in Italien zu studieren?
Wie ist das mit den Lebenshaltungskosten (also auch Wohnungspreisen etc.)? Hast du mitbekommen, dass es deutlich teurer als in Deutschland wäre? Leben italienische Studenten unter schlechteren Bedingungen als deutsche?
Außerdem dazu schreiben viele, dass es nahezu unmöglich ist, italienische Freunde (es sei denn, man wohnt mit ihnen zusammen) zu finden (wegen der ganzen Wochenende nach Hause fahren Geschichte und so weiter). Wenn wir jetzt also nicht von Anfang an in eine WG mit anderen Italienern zögen, hätten wir wahrscheinlich eher wenig Kontakt (oder nur mit viel eigener Initiative) zu anderen Studenten?

Spricht aus deiner Sicht etwas generell dagegen, den BA/BSc in Padova zu machen? (Speziell in Physik: Glaubst du, dass Absolventen der dreijährigen Laurea in Padova schlechter vorbereitet sind auf ein weiterführendes Physik-Studium als deutsche Physik-BScs?)

Würden und sehr über eine Antwort von dir freuen!
Danke auch für dein cooles Blog, das uns viele interessante Einblicke in das Studentenleben in Padova gegeben hat :)

Viele Grüße,
Kora und Ben :)
(ujiriyla@web.de)

Camakadara hat gesagt…
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